Schulkarriere wird vererbt – können Stipendien daran was ändern?

Mehr Gerechtigkeit für Studentinnen und Studenten. Das versprechen sich die Initianten der Stipendieninitiative, über die am 14. Juni abgestimmt wird. Denn heute gehen viel mehr Kinder von Akademikern an eine Uni, als Kinder aus Arbeiterfamilien.

Doch können Stipendien das ändern?

Stipendien helfen gegen Ungerechtigkeit. Da sind sich Schweizer Bildungsforscher einig. Professor Lucien Criblez erfährt an seinem Institut für Erziehungswissenschaft der Uni Zürich: Geldsorgen bremsen die Bildung. «Die Rückmeldungen unserer eigenen Studierenden zeigen uns, dass viele offensichtlich nicht in den Master eintreten, weil sie sagen, dass sie zuerst irgendwie ihr Leben finanzieren können müssen.»

Belegen kann Criblez seine Wahrnehmung nicht. Es gibt ganz einfach keine Studien. Man weiss nicht, ob mehr Junge aus tiefen sozialen Schichten dank Stipendien an eine Hochschule gehen. Klar ist aber: Arbeiterkinder erhalten doppelt so oft Stipendien wie Akademikerkinder.

Kinder von Akademikern gehen eher ans Gymnasium

Doch nun wird es kompliziert: Dass mehr Arbeiterkinder Stipendien erhalten, bedeutet nämlich nicht, dass man mit Stipendien auch mehr Arbeiterkinder an die Uni bringt. Der Entscheid für oder gegen die Hochschule ist oft die Folge des früheren Entscheides für oder gegen das Gymnasium, sagt Professor Stefan Wolter von der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung: «Der Umstand, dass mehr Akademikerkinder an der Universität sind als Arbeiterkinder, hat damit zu tun, dass schon mehr Akademikerkinder am Gymnasium sind.»

Kinder von studierten Eltern gehen eher ans Gymnasium. Das habe nicht mit dem Einkommen der Eltern zu tun, sondern: «Eltern, die selber eine akademische Laufbahn durchlaufen haben, wollen einfach, dass ihre Kinder das auch tun, unabhängig davon, ob sie jetzt reich oder arm sind.»

Umgekehrt schickt ein vermögender Vater, der eine Berufslehre gemacht hat, seine Kinder eher in eine Lehre, als ans Gymi. Die Schulkarriere wird vererbt. Um für gleiche Chancen zu sorgen, sollte man also nicht erst an der Uni ansetzen, so Lucien Criblez: «Selbstverständlich sind grundlegende Gerechtigkeitsfragen nicht nur an der Stelle des Studiums zu stellen, sondern auch früher im Bildungssystem.»

Ungleichheiten entstehen bereits in der Vorschulzeit. Reiche Kinder sind besser betreut und haben folglich den grösseren Wortschatz, als Kinder aus ärmeren Familien. Stefan Wolter sagt klipp und klar: «Unten müssten mehr Mittel ausgegeben werden. Oben ist es fraglich, ob mehr Mittel auch eine bessere Lösung sein würden.»

Vieles würde von der konkreten Umsetzung abhängen

Schon früh für mehr Gerechtigkeit in der Bildung zu sorgen, das ist auch das Anliegen von Margrit Stamm, emeritierte Professorin der Universität Freiburg und Bildungsforscherin. Doch mit der Giesskanne könne dies nicht erreicht werden, weder in der Schule noch an der Uni, so Stamm. Das Geld müsse gezielter verteilt werden.

Quelle: srf.ch 

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